TV-Kabel: Lange Leitung statt High-Speed-Internet?

Treffen die Befürchtungen der privaten Kabelnetz-Betreiber zu, werden die meisten Endkunden weiter auf High-Speed-Internet per TV-Kabel warten müssen.

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Von
  • Richard Sietmann

Geht es nach der Telekom, ist mit den TV-Kabelnetzen und ihrem Verkauf alles in Butter: "Wir sind zuversichtlich, den Gesamtprozess bis zum Ende des Jahres abgeschlossen zu haben", erklärte der Geschäftsführer der Telekom-Kabelgesellschaft KDG, Hans-Ullrich Wenge, zum Stand der Verkaufsverhandlungen über das Telekom-TV Kabelnetz auf der ANGA Cable 2000. Auf dieser Fachmesse für Kabeltechnik und Multimedia in Berlin warfen Kritiker der Telekom allerdings Verschleppungstaktik bei der Umsetzung vor.

"Nachdem die Telekom jahrelang den technischen Ausbau der Breitband-Kabelnetze vermieden hat, um die Telefonnetze keiner Konkurrenz auszusetzen“, empört sich Peter Stritzl, Geschäftsführer des privaten Kabelnetzbetreibers tss telekabel-service-süd in Augsburg, könne sie nun über die Rahmenbedingungen des Verkaufs das Tempo der Netzentwicklung ganz allein gestalten. "Eine pikante Konstruktion" sei das, die den "Bock zum Gärtner" mache. Bis Mitte April ist es erst in zwei Fällen zu konkreten Abschlüssen gekommen: in Nordrhein-Westfalen und Hessen. Weitere Anteilsverkäufe in Baden-Württemberg und Bayern sollen dem Vernehmen nach bis Juli unter Dach und Fach sein; bei den anderen Regionalgesellschaften wird noch verhandelt.

Thomas Braun, Präsident des Verbands Privater Kabelnetzbetreiber (ANGA), glaubt aber nicht daran, dass die Erschließung des Kabelnetzpotenzials jetzt schnell vorankommt. Seine Kritik entzündet sich vor allem daran, dass in den Verkäufen bisher nur Finanzinvestoren zum Zuge kamen, die eine andere strategische Ausrichtung als ein Netzbetreiber haben. "Wir befürchten, dass die Erwerber erst einmal abwarten, was in den anderen Bereichen passiert", erklärte er in Berlin, "das ist ein Hemmnis für die Aufrüstung". Der ANGA, 1974 als Arbeitsgemeinschaft zur Errichtung und Nutzung von Gemeinschafts-Antennenanlagen gegründet, gehören unter anderem 80 Kabel-TV-Betreiber an, die auf der so genannten Netzebene 4 über Hausverteilnetze in Wohnanlagen 7,5 Millionen angeschlossene Haushalte versorgen.

Bei den Beteiligungsverhandlungen an den Regionalgesellschaften schieden die Privaten mangels Kapitalkraft schon in der Vorauswahl aus. Aber mit den Endkundenkontrakten sitzen sie quasi an den Wagenfurten; die Telekom und ihre neuen Partner verfügen nur bei einem Drittel der Kabelteilnehmer über einen direkten Zugang zu den Konsumenten. Da kann der Schwanz schon mal mit dem Hund wedeln. "Wir haben den Eindruck, dass die neuen Investoren die Betreiber der Netzebene 4 noch gar nicht so recht zur Kenntnis genommen haben", bringt ANGA-Präsident Braun seinen Verband in Stellung.

Peter Stritzl von der tss vermutet "ein böses Erwachen", wenn den Investoren aufgeht, was sie da eigentlich erworben haben: "Ein blankes, technisch rückständiges 450-MHz-Netz ohne Rückkanal". Der Schätzungen des Aufwands allein für die Technik zur Ausweitung der Bandbreite von heute 450 MHz auf 862 MHz und die Einführung von Rückkanälen in dem Frequenzbereich 5-65 MHz bewegen sich zwischen drei und zehn Milliarden Mark. Mit Kosten zwischen 350 und 500 Mark pro Wohneinheit fallen etwa die Hälfte der Gesamtinvestitionen auf der Netzebene 4 an."Die Netzbetreiber brauchen eine Perspektive, diese Investitionen wieder zurückzuverdienen", erklärt Braun und fordert "die kurzfristige Vorlage von Geschäftsmodellen und Einbeziehung der Betreiber in die Wertschöpfungskette". Solange die Querelen andauern, werden die Endkunden auf die Kabel-Highspeed-Anschlüsse weiter warten müssen – sieht man von wenigen Glücklichen wie beispielsweise in Memmingen oder in Berlin ab. (Richard Sietmann) (jk)