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Was war. Was wird.

Auch in dieser Woche berichtet Hal Faber wieder aus der Diddschitell Wörlt. Bevor er zum Ritter der Kommunikation geschlagen wird, bringt er einen Toast aus auf Feierwoahl, Ssörfer und den Verein Deutsche Sprache.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war

*** Der Mensch ist, was er isst. Darin unterscheidet er sich von anderen Existenzen, etwa von Gott. Im Unterschied zu Gott hat der Mensch die größte Auswahl an leckeren Getränken, zu denen man mit einem Freund legal über Gott und die Welt sinnieren kann. Vielleicht kommt dabei heraus, dass der Mensch ein Anderer ist, vielleicht aber auch, dass der Mensch den Menschen nicht versteht. Diese These vertrat in der letzten Woche Tera Ojanperä, seines Zeichen Vizepräsident "Forschung, Standardisierung und Technologie" beim finnischen Mobile-Phone-Bauer Nokia. Eigentlich ist Nokia ja ein rechter Gemischtwarenladen, der vor wenigen Jahren unter anderem Autoreifen der Marke Nokian im Angebot hatte und wohl immer noch hat. Nebenbei stellt Nokia auch Fahrradreifen her, darunter auch ein Modell, das mit Spikes bestückt ist. Im kalten Norden kommt das gar nicht schlecht. Zum Beispiel, wenn man sich mit dem Fahrrad beim schlimmsten Schneetreiben gemütlich am Berg oder auf einem vereisten See in eine Kurve legt und das Handy klingelt.

*** Aber bleiben wir noch etwas bei Herrn Ojanperä. Seiner Meinung nach ist nämlich ein neuer Sozialisationstyp schwer im Kommen, der in seinem Verhalten von "Zero-Tolerance" geprägt ist. Der neue Mensch duldet nicht nur keine abweichenden Meinungen, sondern vor allem kein Aufschub, ist vom Trieb der sofortigen Bedürfnisbefriedigung, oder neudeutsch dem Verlangen nach Instant Gratification geprägt. Wer also mit der Digitalkamera ein Foto schießt, will dieses unter die Menschheit bringen und zwar sofort. Und wer eine neue Bekanntschaft macht, will sofort (nein, nein, nicht was ihr denkt) alles über sie oder ihn wissen. Die aufwändige Forschung nach dem neuen Menschen entpuppt sich bei Nokia als ein neuer Blick auf UMTS, dem befriedigenden schnellen Datendienst, der ab sofort nicht mehr als mobiles Internet firmiert, sondern als "Mobile Services Net". Das natürlich, um den Kostenfaktor ein bisserl in den Vordergrund zu rücken.

*** Die Forschung nach dem neuen Menschen führt nach den Erkenntnissen aus dem Haus Nokia dazu, dass die Idee einer Killer-Anwendung vollkommen veraltet ist. "Der Mensch selbst ist die Killer-Application". Das ist gar kein gutes Deutsch, sondern schwerstes Englisch. Es geht sogar noch schwerer, etwa mit der "Ässimmettrick Diddschitell Ssubbßkraiber Lain", die uns Computerbild in seiner aktuellen Ausgabe lautmalerisch schmackhaft machen will, genau so wie den Faierwoahl, den Ssörfer und den Switsch. Für diese guhte Taht erhielt das Blatt den "Institutionenpreis Deutsche Sprache" des Vereins Deutsche Sprache. Als Institutsjon wartet Computerbild jetzt nur noch darauf, zum "Ritter der Kommunikation" geschlagen zu werden. So heißt die Schweizer Variante, die für Leistungen auszeichnet, die einer möglichst breiten Bevölkerung den Zugang zu den neuen Technologien erleichtern. Und beim Verein Deutsche Sprache warten alle auf die Auszeichnung zum Sprachpanscher des Jahres. Heißer Kandidat ist der Verband deutscher Bestattungsunternehmer, der sich für den Funeral Master und gegen den Undertaker entschieden hat. Als chancenlos wird hingegen das Projekt der Deutschtümler betrachtet, den guten alten Mailüfterl an Stelle des dumpf-tumben Computers (Rechner) zu Ehren kommen zu lassen und den Geburtstag feiernden "flynken Teutschen" Daniel Gabriel Fahrenheit dem welschen Celsius vorzuziehen.

*** Seit Freud wissen wir, dass es um die Sprache wie um den Menschen, erst recht dem Deutschen als Menschen, ganz fürchterlich kompliziert bestellt ist. Selbst einem Ritter der deutschen Sprache wie Marcel Reich-Ranicki unterlaufen "Schönheitsfehler". In einem Nachruf (Callback?) auf den innig angefeindeten Literaturwissenschaftler Hans Mayer pries Reich-Ranicki das Buch "Ein Deutscher auf Abruf" als Mayers Hauptwerk. Dabei hatte Mayer ein ganz anderes Buch und zwar mit dem Titel "Ein Deutscher auf Widerruf" geschrieben. Nein, man sollte bei so geringen Differenzen nicht kleinlich sein. Schließlich ist dies ja auch eine Kolumne zum Abruf. Trotzdem wird Reich-Ranicki wohl demnächst Abbitte leisten müssen.

*** Deutschland ist halt das Land, in dem Differenzen immer negative Zahlen sind: Die Business Software Alliance veröffentlichte dieser Tage ihre übliche Klageschrift zur Softwarepiraterie. Ihr ist zu entnehmen, dass der Anteil raubkopierter Programme in Deutschland unter dem europäischen und dem weltweiten Durchschnitt liegt. Von 17 europäischen Ländern belegt Deutschland den drittletzten Platz, nur Dänemark und Großbritannien sind nach den Zahlen der BSA sauberer. Die Zahlen für Deutschland wären sogar noch niedriger, würde die Berechnung der Raubkopierrate nicht mit einem White-Collar-Index arbeiten, der Deutschland als ein Land der Angestellten ohne Arbeiteranteil gewichtet. Trotzdem schaffen es die Spin Doctors der Software-Industrie, Deutschland als Spitzenreiter der Softwarepiraterie darzustellen und davon zu fantasieren, dass ein Drittel aller Business-Software in der Bundesrepublik illegal eingesetzt wird. Die BSA arbeitet nach eigenen Angaben nur mit den Verkaufszahlen US-amerikanischer Hersteller und hat keine deutschen Softwarefirmen unter ihren Mitgliedern. Es gibt drei Arten der Lüge, hat einmal George Bernard Shaw gesagt: die gewöhnliche Lüge, die Statistik und den Wetterbericht.

Was wird

*** Frankreich zählt zu den Ländern, in denen rein statistisch das Wetter besser ist als hier zu Lande, aber die Amerikanisierung, ja nachgerade alles Fremde von der Software (logiciel) bis zum Computer (ordinateur), nicht aber das T-Shirt (T-shirt), gerne bekämpft wird. Da trifft es sich gut, dass das Internet fremder Provenienz ist und somit lässig von Frankreich übertroffen werden kann. Nämlich vom 30. Mai an. Dann soll das Frogan-Netz dem Internet Beine machen; natürlich nur, wenn man bis hin zum Browser und zur Frogans Slide Description Language (FSDL) alles froganisiert. Auf solch eine Aktion, wie sie STG Interactive durchführt, könnte ja eine deutsche Initiative antworten und die Bierkrautisierung des Internet in Angriff nehmen. Vereine, hört die Marseillaise!

*** Sobald die Hymne verklungen ist, gratulieren wir Amnesty International zu ihrem Geburtstag. Ohne diese Organisationen wäre die Welt der Lebenden ohne Wissen vom Leid der Gemarterten. Um mit Hans Mayer zu enden: "Man halte sich ans fortschreitende Leben und prüfe sich bei Gelegenheit, denn da beweist sichs im Augenblick, ob wir lebendig sind, und bei späterer Betrachtung, ob wir lebendig waren." (Hal Faber) / (em)