Startup arbeitet an Cyborg-Chip

Das australische Unternehmen Cortical Labs entwickelt einen Computerchip mit lebenden Neuronen.

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Startup arbeitet an Cyborg-Chip

Ein Netz aus Maus-Neuronen treibt diesen Chip des australischen Startups Cortical Labs.

(Bild: Cortical Labs)

Lesezeit: 3 Min.

Cortical Labs will biologische Neuronen für KI-Anwendungen nutzen. Das Unternehmen aus Melbourne trainiert ein neuronales Netz aus Maus-Neuronen darauf, das Video-Spiel "Pong" zu spielen. Mit dem Prototyp wollen die Australier zeigen, dass sie Verfahren wie Reinforcement Learning auf biologische Hardware übertragen können. Das berichtet Technology Review in seiner aktuellen Juni-Ausgabe.

TR 6/2020

Dieser Beitrag stammt aus Ausgabe 6/2020 der Technology Review. Das Heft ist ab 14.5.2020 im Handel sowie direkt im heise shop erhältlich. Highlights aus dem Heft:

Für Hon Weng Chong, CEO und einer der beiden Gründer von Cortical Labs, sind auch noch so fortgeschrittene KI-Chips, wie sie gerade in großer Zahl entwickelt werden, "eine Übergangstechnik". Andy Kitchen, der zweite Gründer von Cortical Labs, formuliert es ein wenig technischer, aber nicht weniger ehrgeizig: "Es gibt keine andere Technik zur Zeit, die auf einer Skala von Nanometern arbeitet, sich vollständig selbst organisiert und Informationen verteilt im gesamten Netzwerk speichert und verarbeitet", sagt er.

Um diese enorme Kapazität zumindest ansatzweise anzuzapfen, haben Kitchen und seine Kollegen Gitter angefertigt, auf denen alle 17,5 Mikrometer eine Mikroelektrode liegt. Auf den winzigen Elektroden wachsen die Maus-Neuronen. Eine Art "Miniatur-Dialyse-Gerät" tauscht permanent verbrauchte Nährflüssigkeit durch frische aus und versorgt so die Nervenzellen.

Um die Neuronen gezielt miteinander zu verknüpfen, nutzen die Forscher die Selbst-Organisationsfähigkeit von Neuronen. Der Ansatz beruht auf den Theorien von Karl Friston vom University College London: das Prinzip der Freien Energie und der aktiven Inferenz. Grob vereinfacht ist die Idee: Jedes Lebewesen versucht, so wenig Energie wie möglich zu verbrauchen. Das gilt auch für die Verarbeitung von Sinnesreizen. Ein biologisches Gehirn versucht daher, bevor der Sinnesreiz schon ankommt, vorherzusagen, was als Nächstes kommt. Weicht die Wahrnehmung von der Vorhersage ab, entsteht ein Reiz, die Verknüpfungen des Gehirns umzuorganisieren. "Die Herausforderung liegt darin, den Stimulus richtig zu strukturieren, sodass sich das biologische System richtig organisiert", sagt Kitchen. "Das tun wir, indem wir zufällige Signale als eine Art Bestrafung verwenden."

Das vorläufige Ziel der Australier ist, dem System beizubringen, das Videospiel Pong zu spielen, bei dem zwei Spieler einen virtuellen Schläger bewegen können, um einen Ball hin- und herzuspielen. "Noch wirkt das Ergebnis wie das Spiel eines Zweijährigen, der einfach nur den Schläger bewegt", gibt Chong zu. Aber immerhin träfen die besten Kulturen den Ball öfter als dies bei rein zufälligen Bewegungen der Fall wäre. "Bis Weihnachten" wollen die Forscher das Problem gelöst haben.

Mehr über die nächste Generation von KI-Chips lesen Sie in der neuen Ausgabe 6/2020 von Technology Review (bequem online bestellbar und im Handel erhältlich).

(jle)